Inhalt: Kino im Ist-Zustand. Es ist Sommer in Berlin. Zwei Freundinnen sitzen in einem Café. Valerie ist ruhig, zurückhaltend und hat dunkle, kurze Haare. Sie ist gerade erst umgezogen. Sophie dagegen ist eine lustige, lebensfrohe Blondine und wird bald für ein halbes Jahr nach Rom gehen. Der Film zeigt die alltäglichen Details des Lebens. Gespräche, Begegnungen und Beziehungen.
"Der Film ist der Versuch, das Leben von außen zu betrachten, Distanz zu gewinnen, nicht einzugreifen, sondern zuzusehen. Ich wollte einen fließenden Übergang finden vom Leben zum Film und wieder zurück. Die zwei jungen Frauen im Cafe, zum Beginn, hab' ich tausendfach gesehen, in irgendwelchen Cafés an irgendwelchen Sommertagen. Jede Situation gibt es tausendfach, die Familie, die am Flughafen ankommt, die ältere Frau, die allein im Zug sitzt, die erwachsenen Kinder vor dem Krankenhaus, in dem der Vater stirbt. Es ist normal. Ich hab' mich gefragt, was passiert, wenn man versucht, sich an nichts als an die Normalität zu halten .." (Angela Schanelec)
"Ein überaus kunstvoller Film, ein Meisterwerk, wie das deutsche Kino lange keines hervorgebracht hat." (Ekkehard Knörer)
Schauspieler: Maria Simon, Sophie Aigner, Devid Striesow, Ursina Lardi, Clara Enge, Nina Weniger, Anne Tismer, Andreas Patton; Drehbuch: Angela Schanelec; Montage: Angela Schanelec, Bettina Böhler; Regie: Angela Schanelec; Kamera: Reinhold Vorschneider Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Carlos Berger Guralnik wurde am 11. September 1973 mit 70 anderen politischen Oppositionellen von Pinochets "caravana de la muerte", der Todeskarawane, in der chilenischen Atacamawüste ermordet. Der junge Mann hinterließ eine Witwe, einen einjährigen Sohn, seine Eltern und zwei Brüder. Er entstammte einer Familie von Einwanderern, die aus Europa geflohen und in Chile heimisch geworden waren. Der Mord an ihm trieb einen Teil seiner nächsten Angehörigen zum Aufbruch in ein neues Exil - und andere in den Tod.
Carlos' einziger Sohn ist Germán Berger-Hertz. Mit seinem Film "Mein Leben mit Carlos" bricht er ein jahrzehntelanges Schweigen und begibt sich auf eine dramatische Spurensuche.
Die Abwesenheit von Carlos begleitet diesen Film durchgehend. Germán Berger-Hertz trifft sich mit ins Exil geflüchteten Familienangehörigen an vielen Orten der Welt, um sich dem Schmerz und dem Verlust zu stellen. Die zutiefst menschlichen Beweggründe der Protagonisten, ihre individuellen Lebensentscheidungen mit der Vergangenheit umzugehen, bezeugen auf sehr bewegende Weise ein in Vergessenheit geratenes Kapitel.
Carmen Hertz, Carlos' Witwe und Mutter des Regisseurs, spielte eine tragende Rolle in der Anklage Pinochets im Fall der Todeskarawane. Sie klagt eine Politik an, die versuchte, das Leben kritischer Personen total auszulöschen, ihre Spuren, ihre Körper. Im Versuch des Sohnes, die Erinnerung an seinen Vater zu rekonstruieren, ist gleichzeitig der Versuch, auch einen Teil der chilenischen Geschichte dem Vergessen zu entreißen.
Der Film zeigt mittels einer visuell sehr eindringlichen Bildsprache, wie sich ganze Familienstrukturen verändert haben und ein Tabu jahrzehntelang aufrechterhalten wurde. Die grausame Geschichte eines Landes wird entlang einer mitreißenden persönlichen Spurensuche fühlbar und verdichtet sich durch exklusive private Archivbilder aus der Pinochet-Ära. Die große Stärke des Films liegt darin, die Pinochet-Diktatur von 1973 bis 1989 neu zu beleuchten. In der Form eines filmischen Briefes an seinen toten Vater macht Germán Berger-Hertz widersprüchliche Verhaltensweisen und die innere Zerrissenheit der Überlebenden der Tragödie nachvollziehbar.
"Mein Leben mit Carlos" ist als Film gegen das "Verbrechen der permanenten Hinrichtung" zu verstehen, wie es im juristischen Sprachgebrauch heißt. Bis heute gab es keine abschließende Klärung der Ereignisse. Der Leichnam von Carlos ist bis heute verschwunden. Und das Vergessen bleibt der wahre Triumph der Gewalt.
Die Geschichte der Familie Berger zeigt einen lebenslanger Versuch, eine Tragödie zu überwinden. Sie spiegelt auf einer sehr intimen Ebene das Schicksal eines ganzen Landes wider.
Drehbuch: Joaquim Jordà, Roberto Brodsky, Germán Berger-Hertz; Regie: Elsa Casademont, Germán Berger-Hertz; Kamera: Cristián Petit-Laurent; Produktion: Germán Berger-Hertz, Christian Beetz; Montage: Andrea Chignoli Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Free Style heißt die Tanzrichtung von Lauras, Teresas, Leonies und Annas Tanzgruppe. Ein halbes Jahr lang wird zweimal pro Woche trainiert, damit die vier Minuten Auftritt sitzen. Der Ton der Trainerin wird rauer, je näher der große Tag rückt. Mareike sieht den Mädchen wehmütig zu. Obwohl sie nach einer Operation an den Beinen schon seit Monaten nicht tanzen darf, kommt sie zu jedem Training. Am Tag der Vorpremiere wird frisiert und geschminkt - und dann ist der Moment da!
Entstanden im Rahmen des dok you-Wettbewerbs. Das Projekt "dok you" setzt sich seit Jahren erfolgreich für die Förderung des Kinder- und Jugenddokumentarfilms ein. Kurz-Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche entstanden auch an der Hochschule für Medien (KHM) in Köln, so auch "Mein Leben tanzt". Die oft preisgekrönten Filme werden im WDR-Fernsehen, Schulen und Kinoschulvorstellungen gezeigt, sind auf der WDR-Filmbildungsplattform dok'mal! abrufbar - und nun auch in einer Auswahl auf filmfriend.
Produktion: Janna Velber, Meike Martens; Regie: Regina Brodt; Protagonist: Verena Krümpelbeck, Laura Kittel, Leonie Neiser, Anna Rheinbay, Mareike Mayer; Kamera: Daniel Vogt, Hanno Grün; Musik: Peter Aufderhaar; Montage: Carina Mergens; Drehbuch: Regina Brodt Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Das vietnamesische Ehepaar Bay und Tam lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Abseits der deutschen Gesellschaft arbeiten die beiden in leeren Büroräumen als Putzkräfte. Durch Skype und Karaoke-Chatrooms haben sie ihre eigene virtuelle Version von Vietnam in ihrer Münchner Wohnung geschaffen. Doch die Einschränkungen dieser Online-Blase zeigen sich, als ihr Haus in Vietnam durch einen Sturm zerstört wird und ein Familienmitglied in der ehemaligen Heimat auf dem Sterbebett liegt.
Mehr und mehr sehen sich die beiden mit der Frage konfrontiert, ob sie in Deutschland jemals wirklich angekommen sind.
Während Tam verzweifelt versucht, die Reparaturen über Skype zu leiten, nimmt Bay weiter an ihrem Sprachkurs teil. Sie versucht, die deutsche Sprache zu erlernen, und ist in großer Erwartung ihres zukünftigen Enkelkinds. Bays Zukunft liegt klar in Deutschland, doch für Tam wird es immer wichtiger nach Vietnam zurückzukehren. Ist Heimat ein Ort oder vielmehr ein Gemütszustand?
"Mein Vietnam" erzählt von der Schwierigkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu leben, und welche Auswirkungen diese Dualität auf eine Ehe, eine Familie und das Gefühl von Zugehörigkeit hat.
"Intimer, von der Tochter der Porträtierten mitinszenierter Dokumentarfilm, der über hautnahe Alltagsbeobachtung das gespaltene Leben von Einwanderern sensibel erfasst." (Lexikon des internationalen Films)
Regie: Thi Hien Mai, Tim Ellrich; Kamera: Tim Ellrich; Drehbuch: Tim Ellrich, Thi Hien Mai; Produktion: Leopold Pape; Montage: Tobias Wilhelmer Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Tante der Regisseurin dieses Films betreibt in der Kleinstadt Namie einen Hochzeitssalon, ein Bestattungsunternehmen und eine Bäckerei. Namie liegt ganz in der Nähe von Fukushima. Sechs Monate nach dem alles verheerenden Reaktorunfall im Kernkraftwerk vom März 2011 macht sich Kyoko Miyake auf den Weg zu ihrer Tante Kuniko. Sie trifft eine Frau, die alles daran setzt, den radikal veränderten Alltag zu meistern.
Für die Regisseurin selbst ist Namie mit geradezu paradiesischen Kindheitserinnerungen verbunden. Namie war damals ein Fischerdorf. Zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr nach Japan nach der Fukushima-Katastrophe hat Miyake 10 Jahre im Ausland gelebt. Sie blickt als Außenstehende auf die Heimatstadt ihrer Familie. Mit ihrem vielschichtigen Dokumentarfilm gelingt es ihr, die tiefgreifenden persönlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Katastrophe zu ergründen.
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Langtext zum Film Am 11. März 2011 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 9 große Teile von Japan. Der dadurch verursachte Tsunami löste im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi schwere Störfälle aus. In drei Blöcken des Kraftwerkes kam es zu Kernschmelzen und zur Freisetzung großer Mengen von radioaktivem Material.
DIe Stadt Namie liegt ganz in der Nähe des havarierten Kraftwerkes. Tausene Einwohner mussten zwangsevakuiert werden. So auch die Geschäftsfrau Kuniko, die in Namie einen Hochzeitssalon, ein Bestattungsunternehmen und eine Bäckerei unterhielt.
Fünf Monate nach der Katastrophe macht sich Kunikos Nichte Kyoko Miyake auf den Weg nach Japan. Die junge Regisseurin hatte die Ereignisse von ihrem Wohnort London aus verfolgt und beschlossen, das Leben ihrer Tante nach dem Tsunami in einem Dokumentarfilm festzuhalten.
Kyoko erlebt ihre Tante Kuniko als lebenslustige ältere Frau. Trotz der Ereignisse lässt sie ihren Mut nicht sinken. Ausgerüstet mit einem Strahlenanzug macht sie sich in der verlassenen Stadt auf den Weg zu ihren zerstörten Geschäfte. Sie hofft, bald gemeinsam mit ihrem Mann zurückzukehren. Doch die Strahlenbelastung ist so hoch, dass die japanische Regierung Namie endgültig zur Sperrzone erklärt. Zur Überraschung der Filmemacherin nehmen Tante Kuniko und überhaupt ihre Familie die Ereignisse gelasssen. "Warum sind sie nicht außer sich?," fragt sich die Nichte, die schon lange im Ausland lebt - und geht dieser Frage in ihrem Film nach.
"Meine Tante aus Fukushima" ermöglicht intime Einblicke in eine tief traumatisierte Gesellschaft im Angesicht der nuklearen Katastrophe. Zugleich erkundet der Film die Bedeutung von Heimat und Familenzusammenhalt. Auch historische Hintergründe spielen im Film eine Rolle. Die Regisseurin zeigt, was die Stadt Namie vor dem Bau des Kraftwerks gewesen ist: ein idyllischer Küstenort. Während die Ansiedlung des AKWs mit hohen Erwartungen verbunden war, wurden Kritiker des Baus von Behörden und der Betreiber-Firma TEPCO unter Druck gesetzt.
Private Archivaufnahmen, aber auch Werbefilme der Atomenergie-Industrie, ergänzen die persönlichen Kommentare der Protagonisten.
Inhalt: Christa Ludwig gilt als eine der forschendsten und vollständigsten Vokalartisten des 20. Jahrhunderts. Ihre professionelle Gesangskarriere umfasste fünf Jahrzehnte. Zwei öffentliche Meisterkurse, aufgenommen im Volkstheater in Wien, zeigen ihre Arbeit mit jungen Sängern, die auf der Opernbühne Erfolg haben wollen. Offen, humorvoll und ermutigend konzentriert sie sich auf die dramatische Wahrheit, die in den Arien ihrer Wahl zum Ausdruck kommt, und hilft ihnen, dies in ihren Interpretationen zu kommunizieren.
Zwei öffentliche Meisterkurse, aufgenommen im Volkstheater in Wien, zeigen Christa Ludwigs Arbeit mit jungen Sängern, die auf der Opernbühne Erfolg haben wollen. Offen, humorvoll und ermutigend konzentriert sie sich auf die dramatische Wahrheit, die in den Arien ihrer Wahl zum Ausdruck kommt, und hilft ihnen, dies in ihren Interpretationen zu kommunizieren.
Kamera: Joe Malina; Protagonist: Christa Ludwig; Montage: Ernst Neumayer; Regie: Claus Viller Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Christa Ludwig gilt als eine der forschendsten und vollständigsten Vokalartisten des 20. Jahrhunderts. Ihre professionelle Gesangskarriere umfasste fünf Jahrzehnte. Zwei öffentliche Meisterkurse, aufgenommen im Volkstheater in Wien, zeigen ihre Arbeit mit jungen Sängern, die auf der Opernbühne Erfolg haben wollen. Offen, humorvoll und ermutigend konzentriert sie sich auf die dramatische Wahrheit, die in den Arien ihrer Wahl zum Ausdruck kommt, und hilft ihnen, dies in ihren Interpretationen zu kommunizieren.
Zwei öffentliche Meisterkurse, aufgenommen im Volkstheater in Wien, zeigen Christa Ludwigs Arbeit mit jungen Sängern, die auf der Opernbühne Erfolg haben wollen. Offen, humorvoll und ermutigend konzentriert sie sich auf die dramatische Wahrheit, die in den Arien ihrer Wahl zum Ausdruck kommt, und hilft ihnen, dies in ihren Interpretationen zu kommunizieren.
Montage: Ernst Neumayer; Regie: Claus Viller; Protagonist: Christa Ludwig; Kamera: Joe Malina Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Der Film, der in der Finanzmetropole The City gedreht wurde, konzentriert sich auf mehrere Londoner aus verschiedenen sozialen Schichten während der Wirtschaftskrise 2008. Von einem Hedgefonds-Manager der Spitzenklasse bis zu einem spirituell orientierten Straßenkehrer auf der Suche nach Frieden - Regisseur Marc Isaacs schafft einfühlsame Porträts von Menschen, die danach streben, ihren Platz in der wimmelnden Stadt London zu finden.
"Noch nie hat jemand einen Film über die City gemacht, der so einzigartig, so bewegend und so menschlich ist". The Times
Produktion: Rachel Wexler; Drehbuch: Marc Isaacs; Kamera: Marc Isaacs; Regie: Marc Isaacs; Musik: Michel Duvoisin; Montage: David Charap Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Führte Wilhelm II., Deutschlands letzter Kaiser und der erste Medienstar des 20. Jahrhunderts, ein tragisches Doppelleben? War der Monarch, der den Ersten Weltkrieg entfesselte, zugleich umschwärmter Held eines Kreises feinsinniger Kunstliebhaber, denen alles Militaristische fern lag? Geriet er unter Druck, weil seine engsten Vertrauten wegen angeblicher Homosexualität vor Gericht standen? Entlang historischer Gerichtsprozesse gegen Mitglieder der kaiserlichen Entourage taucht der Film in das Sittenbild, die Moral und die Tabus der letzten Jahre des Deutschen Kaiserreichs ein und zeichnet ein weitgehend unbekanntes Bild dieser Zeit.
Kamera: Johannes Imdahl; Regie: Claus Bredenbrock; Produktion: Christian Beetz; Montage: Volker Gehrke; Drehbuch: Claus Bredenbrock Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Rudolf Buth, 86, hält die Einsamkeit nicht mehr aus. Der Witwer entschliesst sich schweren Herzens, seine Wohnung, in der er 45 Jahre gelebt hat, aufzugeben und sich eine neue Bleibe zu suchen. Pauline Pappert und Therese Heinze, beide ebenfalls 86, wohnen seit zehn Jahren in einer Frauen-WG. Nachdem sie lange Zeit vergeblich nach einer neuen Mitbewohnerin Ausschau gehalten haben, sind sie nun gewillt, es mit einem Mann zu versuchen. Die ersten Wochen in der WG stellen alle Beteiligten auf eine harte Probe. Verschiedene Lebensentwürfe und unterschiedliche Mentalitäten prallen aufeinander. Auf einfühlsame Art und Weise gelingt es den beiden Damen aber nach und nach, ihren neuen Mitbewohner von sich und ihrer WG zu überzeugen. Rudolf Buth entpuppt sich als absoluter Glücksgriff und weiss die beiden Damen mit seinem Charme zu begeistern. Während Therese Heinze glaubt, ihn hier und da noch etwas erziehen zu müssen, bereitet es Pauline Pappert sichtlich Vergnügen, mit ihm herum zu schäkern. Leider dauert die Hochstimmung in der WG nicht an. Der Dokumentarfilm "Ménage à trois" zeigt, wie drei Menschen im hohen Alter zueinander finden. Die Geschichte eines Neuanfangs mit 85.
Musik: Jochen Rohn, Jan Seeger; Kamera: Holger Boening, Markus Otto; Regie: Natalie Pfister, Frank Haller; Montage: Trang Nguyen Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: In einem Berliner Mietshaus leben Menschen verschiedenster Gesellschaftsgruppen miteinander. Während die unterste Etage von einem Juwelier und einem Anwalt bewohnt ist, werden die Mieter mit steigendem Stockwerk immer ärmer und mittelloser. Über Juwelier und Anwalt leben eine Witwe und ein Beamter, im nächsten Stock befinden sich eine Tanzschule und ein Heiratsvermittlungsinstitut, unterm Dach wohnen ein Luftballonverkäufer und ein Klavierlehrer.
Wirken die Bewohner anfangs lediglich als Repräsentanten sozialer Schichten, werden sie im Laufe des Films als Individuen mit persönlichen Schicksalen dargestellt. In verschiedenen Abschnitten werden ihre von einem missglückten Gesellschafts- und Wirtschaftssystem unterschiedlich geprägten Leben beleuchtet.
Der Stummfilm "Menschen untereinander" (Premiere: 3. April 1926 in Berlin) zeichnet den sozialen Mikrokosmos eines Mietshauses, dessen Bewohner einen Querschnitt aus Armut, Korruption und Mitgefühl repräsentieren. Der spätere "Emil und die Detektive"-Regisseur Gerhard Lamprecht zeigt in beeindruckender Weise das Nebeneinander sozialer Schichten. "Menschen untereinander" zählt zu den Milieustudien, die Lamprecht in den 1920er-Jahren an Originalschauplätzen und teils mit Laiendarstellern in Berlin drehte; weil sie durch die Zeichnungen des Berliner Malers und Photographen Heinrich Zille angeregt und durch seine Beratung gefördert worden waren, nannte man sie bald auch "Zille-Filme".
Schauspieler: Alfred Abel, Paul Bildt, Berthold Reissig, Aud Egede-Nissen, Andreas Bull, Elsa Wagner, Eduard Rothauser, Renate Brausewetter, Mathilde Sussin; Musik: Giuseppe Becce; Kamera: Karl Hasselmann; Produktion: Gerhard Lamprecht; Regie: Gerhard Lamprecht; Drehbuch: Eduard Rothauser, Luise Heilborn-Körbitz, Gerhard Lamprecht Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Wir sind ganz Ohr: Die Goldene Lola für die Beste Tongestaltung geht an Michael Schlömer, Corinna Fleig und Tobias Fleig für den Film THE DIVE! In "Messi & Maud" haben die Flaigs bereits ihr Können in Sachen Sound-Design präsentiert.
Ein Paar in der Krise, ein Junge auf der Suche nach seiner Mutter und über allem die unendliche Weite Patagoniens. Was nach klassischen Road-Movie-Ingredienzien klingt, entpuppt sich als sehenswerter Selbstfindungstrip einer kinderlosen Vierzigerin.
Maud und Frank wollen nach einer langen Krise ihrer Beziehung wegen eines unerfüllten Kinderwunsches einen Neuanfang auf einer Reise durch Chile wagen. Doch ein Streit eskaliert, und Maud reist allein und ziellos weiter. Sie trifft auf Messi, einen chilenischen Jungen, mit dem sie durchs Land reist. Durch die Begegnung mit Messi findet Maud immer mehr zu sich selbst...
"Allmählich macht Maud eine Metamorphose durch, die in den Bildern ihre Entsprechung findet. Der anfänglich oft graue Himmel und ihr Unbehagen gegenüber der Natur weichen sonnendurchfluteten Einstellungen und neuer Lebenslust. Die Reise geht durch ländliche Gegenden, das ungleiche Paar erlebt eine Nacht bei einer Hippie-Kommune am Meer und steuert später auf das unausweichliche Ziel zu. (...) Es ist ein steiniger Weg zur Akzeptanz dieser schmerzhaften Wahrheit. Das mag kein wirkliches Happy End sein, aber ein wichtiger erster Schritt für die Heilung." (Jens Balkenborg. in: epd FILM)
"Zusammen mit einem wunderbar unauserzählten Drehbuch von Daan Gielis, das keineswegs alle Erzählstränge vollends ausbuchstabiert, und im Einklang mit einem mitreißenden Score (Daniel Sus und Matthias Klein) gelingen Marleen Jonkman in ihrem gelungenen Leinwanddebüt zusätzlich einige flirrende Kinomomente, die zudem quasi im Alleingang vom imposanten Spiel Rifka Lodeizens getragen werden: In 92 Minuten ist sie beinahe durchgängig im Bild und keine Sekunde davon zu viel." (Simon Hauck, auf: kino-zeit.de)
Regie: Marleen Jonkman; Musik: Daniel Sus, Matthias Klein; Drehbuch: Daan Gielis; Montage: Katarina Türler, Wouter va Luijn; Schauspieler: Carolina Diaz, Guido Pollemans, Koke Santa Ana, Cristóbal Farias, Daniel Candia, Rodrigo Soto, Rifka Lodeizen; Produktion: Elwin Looije, Danielle Guirguis, Hans de Weers; Kamera: Jeroen de Bruin Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Jose Guevara, Michael Chamberlin und Ariana Garcia sind mexikanische Whistleblower. Da ihr Land durch Massenverbrechen und Drogenhandel verwüstet wird, sind sie bereit, alle Risiken einzugehen, um die Herrschaft der Straflosigkeit zu beenden. Sie sind auf einer Mission: Sie wollen die endemische Korruption anprangern und die höchsten nationalen Behörden und leitenden Beamten vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Niederlande) bringen. Ein Streben nach Gerechtigkeit und ein Einblick in die Rolle und Arbeitsweise dieser Justizbehörde, die für die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist.
Dieser Film ist auch in der französischen Version verfügbar.
Inhalt: Jose Guevara, Michael Chamberlin und Ariana Garcia sind mexikanische Whistleblower. Da ihr Land durch Massenverbrechen und Drogenhandel verwüstet wird, sind sie bereit, alle Risiken einzugehen, um die Herrschaft der Straflosigkeit zu beenden. Sie sind auf einer Mission: Sie wollen die endemische Korruption anprangern und die höchsten nationalen Behörden und leitenden Beamten vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Niederlande) bringen. Ein Streben nach Gerechtigkeit und ein Einblick in die Rolle und Arbeitsweise dieser Justizbehörde, die für die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist.
Dieser Film ist auch in der englischen Version verfügbar.
Inhalt: "Der Tod ist bei uns nicht etwas, wovor wir uns fürchten müssen. Im Gegenteil, er vereint uns, und das gibt uns die Kraft, das Leben zu meistern." Die 24jährige Mexikanerin Beatríz "Betty" Huacuz hat erst vor kurzem ihren Großvater Agostin verloren. Der Kunsthandwerker hat einen Betrieb gegründet, der Bettys Familie bis heute ernährt. Und auch sonst war er ein wichtiger Mensch in ihrem Leben. Jetzt ist Ende Oktober. Gemeinsam mit ihren Verwandten erwartet Betty den Großvater erstmals als Gast aus dem Totenreich.
Betty gehört zum Volk der Purépecha. Ihre Familie lebt in einem Dorf an den Ufern des Pátzcuaro-Sees im westlichen Zentralmexiko, auf halbem Weg zwischen Mexiko Stadt und Guadelajara. Das Gewässer mit seinen fünf Inseln wird auch "See des Nebels" genannt und ist der Legende nach das Tor zum Totenreich. Besonders die Insel Janitzio hat sich wegen dieser alten Erzählungen in der Gegenwart zu einem touristischen Zentrum für die ganze Region entwickelt. Die Zeit rund um die Días de los Muertos sind DIE Hochsaison, besonders auf der Insel Janitzio. Ab Mitte Oktober wuseln hier Händler und Gastronomen in Erwartung der Gäste.
Doch nicht nur Gegend rund um den Nebelsee, sondern ganz Mexiko verwandelt sich ab Mitte Oktober in ein Blumenmeer. Besondere Bedeutung haben dabei die gelb-orangen Cempasúchil-Blüten, die auch "Blume der Toten" genannt werden. Wenn sich die Verstorbenen für das Fest auf den Weg zurück zu ihren Familien machen, sollen die leuchtenden Blüten ihnen den Weg weisen.
Für die Lebenden sind die Tage der Toten ein Familientreffen der besonderen Art. Ein Fest, das mit Verwandten und Freunden nach Traditionen gefeiert wird, deren Ursprünge nicht vollständig geklärt sind. Viele Forscher halten es für erwiesen, dass die Bräuche weit in die vorspanische Zeit zurückreichen. Andere betonen die auffällige Ähnlichkeit mit europäischen Motiven und Traditionen wie dem spätmittelalterlichen Danse Macabre. Viele halten es für wahrscheinlich, dass die spanischen Kolonisatoren die indigenen Traditionen aufnahmen und mit katholischem Gedankengut verflochten.
Was immer die wahren Ursprünge sind - für Betty Huacuz steht fest: "Das Reich der Toten ist hier nicht von der Welt der Lebenden getrennt," und das Fest symbolisiert diese Verbindung. Für ihre Familie hat die Tradition auch ökonomische Bedeutung. Nur wenn sie jetzt genug verkaufen, werden sie im folgenden Jahr auskömmlich leben können.
Der Familienbetrieb ist allerdings groß genug, dass die Feier der ersten Wiederkehrs von Großvater Agostin nicht zu kurz kommen muss. Selbstverständlich hat Betty sein Grab geschmückt und handgezogene Kerzen gekauft. Agostinos Witwe überwacht die kulinarischen Vorbereitungen. Auf den Rat eines Kartenlegers hin hat Beatríz entschieden, dem größten Wunsch des Großvaters nachzugehen, der zu seinen Lebzeiten unerfüllt blieb. So gern hätte Agostin gelernt, wie man Pappmaché Skelett-Figuren herstellt. Bei einem Besuch im 400 Kilometer entfert gelegenen Mexiko-Stadt hatte er sie gesehen und ein Exemplar als Geschenk zurückgebracht. Also macht Betty sich auf den weiten Weg in die Hauptstadt. Und weil Bettys Familie vom Verkauf von Kunsthandwerk an Touristen lebt, hat es auch einen ganz praktischen Wert, den Wunsch des Großvaters post mortem zu erfüllen.
Die Tage der Toten korrespondieren mit den katholischen Festtagen Allerheiligen (31. Oktober) und Allerseelen (2. November). 2008 wurden sie von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen.
Drehbuch: Joanna Michna, Thomas Wartmann; Stimme: Osman Ragheb; Kamera: Dieter Stürmer; Produktion: Markus Breimaier; Montage: Manuela Kempf; Regie: Joanna Michna, Thomas Wartmann; Sound Design: Hans R. Weiss; Musik: Ludwig Eckmann, Winfried Zrenner Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die 17-jährige Rosa Jiménez kam in die USA, um ihrer Familie in Mexiko ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie fand Arbeit in Texas, heiratete und bekam ihr erstes Kind. Doch einige Jahre später verwandelte sich der Traum in einen Albtraum, als der zweijährige Junge, den sie betreute, auf tragische Weise ums Leben kam. Der Staat Texas beschuldigt sie des Mordes an dem Jungen und verurteilt sie nach einem unfairen Prozess zu lebenslanger Haft. Sie kam nach Amerika, um frei zu sein, und nun hat sie diese Freiheit für immer verloren.
Inhalt: Die 17-jährige Rosa Jiménez kam in die USA, um ihrer Familie in Mexiko ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie fand Arbeit in Texas, heiratete und bekam ihr erstes Kind. Doch einige Jahre später verwandelte sich der Traum in einen Albtraum, als der zweijährige Junge, den sie betreute, auf tragische Weise ums Leben kam. Der Staat Texas beschuldigt sie des Mordes an dem Jungen und verurteilt sie nach einem unfairen Prozess zu lebenslanger Haft. Sie kam nach Amerika, um frei zu sein, und nun hat sie diese Freiheit für immer verloren.
Inhalt: 1897 bringt der Arktisforscher Robert Peary im Auftrag von Franz Boas, Kurator des American Museums of Natural History, von seiner Expedition indigene Einwohner der Insel Grönland mit. Eine Sensation. Doch nur der kleine Minik überlebt. Der Rest seiner Gruppe stirbt innerhalb nur weniger Monate. Miniks Vater kommt durch Tuberkulose ums Leben; sein Skelett wird in die anthropologische Sammlung des Museums aufgenommen. Minik, adoptiert von Museumsmitarbeitern, bleibt weitere zwölf Jahre in Amerika, bevor er nach Grönland zurückkehrt. Doch dort ist er inzwischen ein Fremder geworden. Robert Peary dagegen wird in Amerika wird für seine Nordpol-Expeditionen gerühmt. Minik lässt seine Vergangenheit nicht los und so kehrt er zurück in die USA.
Der Dokumentarfilm verfolgt das Schicksal Miniks und setzt sich zugleich mit der Problematik der Anthropologie des 19. Jahrhunderts auseinander. Dabei wird deutlich, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit der Wissenschaft immer noch ein heikles Thema ist.
Kamera: Edward Marritz, Hans Jakobi, Roland Breitschuh; Produktion: Axel Engstfeld; Musik: Hans Günter Wagener; Drehbuch: Axel Engstfeld; Montage: Josef van Ooyen; Regie: Axel Engstfeld Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Kinder müssen lachen! Dieser in Polen gedrehte Dokumentarfilm bietet Einblick in ein kleines sozialistisches Paradies: ein ländliches Tuberkulose-Sanatorium, das von jüdischen Arbeiterorganisationen für arme Stadtkinder eingerichtet und von den jungen Patienten selbst demokratisch geleitet wurde.
"Mir Kumen On" wurde zwar den polnischen Kinos vorenthalten, aber es gab offensichtlich eine Reihe heimlicher oder privater Vorführungen. Der Film zirkulierte auch im Ausland mit Kinovorführungen in Paris und Brüssel. Im Frühjahr 1938 brachte der Mitbegründer und Regisseur des Medem-Sanatoriums, Shlomo Galinsky, Mir Kumen On in die USA, wo er unter dem englischen Titel The Children Must Laugh unter der Schirmherrschaft der International Ladies' Garment Workers' Union und des sozialistischen Stadtrats Barney Vladek seine New Yorker Premiere hatte. Er lief eine Woche lang im Continental Theater in der Innenstadt (wo der polnisch-jiddische Spielfilm Der Dibek (The Dybbuk) gerade ein zweimonatiges Engagement absolviert hatte), auf einer Rechnung mit dem WPA-Kurzfilm Work Pays America." (J. Hoberman, Bridge of Light: Yiddish Film Between Two Worlds)
"Mir Kumen On" ist nicht nur die Kunst der Filmindustrie, es ist viel mehr: es ist die Kunst des Lebens, der Aufrichtigkeit, der menschlichen Beziehungen. Die Bilder erschüttern uns, rufen die tiefste Trauer hervor... Ein solcher Film spricht direkt zum Herzen, zu den Gefühlen. Er sagt mehr als hundert Reden, Artikel und Bücher. Er ist eine Agitka, aber künstlerisch, eine höhere Ordnung, die uns die Augen öffnet und unsere Sinne durchdringt... pulsierend, laut, echt: So lebt man jahrelang in den Kellern und so schnappt man im Sanatorium Medem nach Luft." (Michal Kitai, Literarishe Bleter, 1936)
"Kostbar und eindringlich." (Times of Israel)
Drehbuch: Jozef Pat, Wanda Wasilewska; Musik: Henoch Kon; Regie: Aleksander Ford; Kamera: Stanissaw Lipiski Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit).
Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt.
Der Fachbegriff ist hierfür "Creative Destruction" oder zu deutsch "Schöpferische Zerstörung" und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann.
Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer "Creative Destruction" von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen.
MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
Eigentlich gehört Spitzbergen zu Norwegen, doch ein internationales Abkommen aus den 1920er Jahren erlaubte der jungen Sowjetunion den Bergbau auf dem Archipel. Es entstand die Arktis-Siedlung Piramida - benannt nach dem pyramidenförmigen Berg, an dem sie liegt. Piramida überstand den Zweiten Weltkrieg fast unzerstört und blühte dann als Kohlekombinat auf. Fast alles, was man heute hier sieht, erbauten die Sowjets nach dem Krieg.
Piramida war ein Vorposten der Sowjetunion im "kapitalistischen Ausland", an dem unter luxuriösen Lebensbedingungen in einem extrem unwirtlichen Umfeld 80 Jahre lang gelebt und gearbeitet wurde. Heute ist Piramida Geschichte. Eine menschenleere Geisterstadt, die vielerorts wirkt, als sei sie erst gestern verlassen worden.
Fast alles musste mit dem Schiff in die Arktis geschafft werden. Und zwar im Sommer, wenn das Eis den Fjord freigab. Jedes Jahr im Oktober begann dann wieder die lange Isolation. Piramida war dann weitgehend auf sich gestellt. Die Kohle und das zentrale Kraftwerk hielten die Stadt im Eis am Leben. Sein Strom sorgte für Licht in den Wohnblocks der Kumpel, sein erhitztes Kühlwasser brachte bullige Wärme. Sogar Vieh- und Gemüsewirtschaft wurde so möglich. Rund tausend Menschen arbeiteten hier zuletzt unter Tage - Arbeiter, angesiedelt aus der Ukraine und Russland. Trotz Kälte und Polarnacht und nebligen Sommern waren die Leute hier gut, fast luxuriös versorgt. Es gab ein Schwimmbad mit einem eigenen Kinderbecken und ein Veranstaltungshaus mit Konzerträumen, einer Ballsporthalle und einem Kino, das allabendlich um sieben einen Film zeigte. Bis 1998. Bis Russland den Kohlebergbau auf Spitzbergen aufgab. Das Hotel "Tulip" öffnete noch ein paar Sommer lang für neugierige Reisende. Doch im Jahr 2000 war auch damit Schluss. Heute ist Piramida eine der nördlichsten Geisterstädte der Welt.
Auf den ersten Blick wirkt die Stadt wie schockgefroren, eine konservierte sowjetische Musterstadt, in die die Bewohner jeden Moment zurückkommen könnten. Aber langsam, mit dem Tempo der Arktis, beginnt sich die Natur der Stadt zu bemächtigen. Als erste kamen die Möwen, die in den Gebäuden, Dachböden und Kuppeln ideale Bedingungen zum Nisten fanden. In letzter Zeit wurden immer öfter Eisbären gesichtet, die es sich in den verlassenen Gebäuden gemütlich machen. Auch Polarfüchse und die seltenen Spitzbergen-Rens streunen durch die verlassenen Straßen der Geisterstadt und stoßen dort seit zwei, drei Jahren immer öfter auf Abenteurer und Touristen, die von Reiseunternehmern nach Piramida gebracht werden, in die befremdliche Ruinen-Zivilisation inmitten arktischer Wildnis.
Im Sommer tauchen auch immer wieder kleine Arbeitsteams aus Barentsburg oder der Inselhauptstadt Longyearbyen auf, die die Ruinen ausschlachten und verkäufliche Materialen oder Einrichtungsgegenstände mitnehmen. Zur Zeit der Dreharbeiten war auch im Gespräch, dass Arktisforscher oder andere Wissenschaftler hier ihre Basis aufschlagen. In der See östlich von Spitzbergen liegt immerhin eines der größten noch unerschlossenen Gasfelder der Welt. Zeitweise stieg ein Team von skandinavischen Archäologen samt Fotografin im Hotel "Tulip" ab. Für ein Buch dokumentierten sie, was von der Siedlung übrig blieb. "Die allermeisten Dinge stehen noch genau dort, wo sie hingehören", heißt es in dem Fotoband. "Dadurch fühlt es sich an, als sei alles nur verzögert oder kurz angehalten: Eine sowjetische Stadt, in der scheinbar die Zeit still steht."
Musik: Tim Stanzel, Eike Hosenfeld, Moritz Denis; Montage: Martin Schomers; Drehbuch: Markus Reher; Kamera: Torben Müller; Produktion: Christian Beetz; Regie: Markus Reher Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit).
Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt.
Der Fachbegriff ist hierfür "Creative Destruction" oder zu deutsch "Schöpferische Zerstörung" und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann.
Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer "Creative Destruction" von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen.
MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
Im Jahr 1908 fand ein schwarzer Hilfsarbeiter der deutschen Reichsbahn namens Zacharias Lewala bei Gleisreparaturarbeiten einen glitzernden Stein. Er brachte ihn seinem Vorgesetzten August Stauch. Dieser Zufallsfund war der Startschuss für einen beispiellosen Diamantenrausch in einer der unwirklichsten Gegenden Afrikas. Er lockte hunderte Glücksritter, Unternehmer und Arbeiter an.
Mit Kolmanskuppe entstand aus dem Nichts eine moderne, deutsche Kleinstadt mit Postamt, Krankenhaus, Polizeistation, Schwimmbad, Casino, Theater und Kegelbahn. Die Deutschen prägten die Kultur vor Ort. Der Kegelclub "Gut Holz", Turnfeste und Volkstanzveranstaltungen dominierten das Freizeitleben, die Frauen trugen schicke Seidenstrumpfhosen und die Männer steife Stehkragen. Und der kleine deutsche Reichsbahnbeamte August Stauch wurde zum Diamantenkönig des Kaiserreiches.
Mit Stauch wurde Kolmanskuppe praktisch über Nacht zu einer Stadt der Superlative: Von hier kamen 20% der weltweiten Diamantenproduktion jener Zeit. Sie galt, berechnet nach Pro-Kopf Vermögen, als reichste Stadt Afrikas und verfügte über eines der modernsten Krankenhäuser der Region mit dem ersten Röntgengerät in ganz Afrika.
Auf die schnelle Blüte folgte ein schleichender Niedergang. Mit dem Schwinden der Diamantenvorkommen verblasste auch der Glanz der bizarren deutschen Kleinstadt mitten in der Wüste. 1954 notierte das Krankenhaus die Entlassung der letzten Patienten, zwei Jahre später verließen die letzten Familien Kolmanskuppe und der eben noch so reiche Ort wurde zur Geisterstadt. In der Zwischenzeit hat sich die Wüste einen Teil der Bauten zurückgeholt. Dabei sind viele der bunten Häuser noch eingerichtet: die Kegelbahn, wo einst deutsche Offiziere den Reichtum genossen, strahlt in ihrer Verlassenheit gespenstischen Charme aus, während das ehemalige Schwimmbad bereits komplett mit Sand gefüllt ist.
Doch in den letzten Jahren erwacht Kolmanskuppe langsam zu neuem Leben. Jahrzehnte als Diamanten-Sperrgebiet nicht öffentlich zugänglich, wurde die Gegend 2008 zum Naturschutzgebiet erklärt worden und ist jetzt für Besucher offen. Die von Menschenhand praktisch unberührte Sukkulenten-Wüste Karoo gilt mit mehr als 1.700 Blatt- und 130 Stamm-Sukkulenten als artenreichste Wüste der Welt. Ein Beispiel für den Einfallsreichtum der Natur sind die älebenden Steine' (Lithops). IHre Blätter speichern Wasser, ragen kaum aus dem Boden hervor und sind als Steinchen getarnt - perfekt geschützt gegen Sandstürme und Fraß durch Tiere. Neben den Sukkultenen und den außergewöhnlichen Steinen sind in dieser Wüste auch etwa 80 Wirbeltier-Arten zu Hause. Typische Wildarten sind Antilopen, Springböcke, Strauße, Schakale und braune Hyänen. Unweit von Kolmanskuppe sind auch wilde Pferde zu finden, die allerdings erst 1915 dort angesiedelt wurden. Die Tierwelt der Sukkulenten-Karoo ist durch die lange Abgeschiedenheit noch nicht komplett erforscht. So wurden in den letzten Jahren 20 Tierarten entdeckt, die es nur dort gibt. Der Nationalpark mit seiner bizarren Attraktion Kolmanskuppe lockt heute Touristen, Zoologen und Abenteurer an, Fotografen aus aller Welt beginnen den gespenstischen Ort mit der unberührten Natur zu entdecken. So entsteht im Niedergang der modernen Ruine gleichzeitig eine neue Perspektive für die Menschen, die teilweise noch aus nächster Nähe Aufstieg und Fall der Diamantenstadt erlebt haben.
Montage: Johannes Nakajima; Drehbuch: Reinhild Dettmer-Finke; Produktion: Christian Beetz; Musik: Moritz Denis, Tim Stanzel, Eike Hosenfeld; Regie: Reinhild Dettmer-Finke; Kamera: Sven Kiesche Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit).
Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt.
Der Fachbegriff ist hierfür "Creative Destruction" oder zu deutsch "Schöpferische Zerstörung" und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann.
Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer "Creative Destruction" von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen.
MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
Alles hatte so großartig begonnen, als Henry Ford Ende der 1920er Jahre den brasilianischen Urwald auswählte, um den steigenden Kautschukbedarf für die Reifenproduktion zu decken und um seine Version des amerikanischen Traums hierher zu exportieren. Fordlândia sollte eine Mustersiedlung nach amerikanischem Vorbild werden - mit schindelgedeckten Holzhäusern, feuerroten Hydranten und striktem Alkoholverbot. Die Ureinwohner aus dem Dschungel sollten sich unabhängig von Hitze und Wetter an feste Arbeitszeiten gewöhnen und zu ihrer eigenen Gesundheit ungeliebte Speisen wie etwa Naturreis, Haferbrei und Dosenfrüchte essen. Doch das ungewöhnliche Projekt kam schnell ins Stocken. Trotz eines Krankenhauses und guter medizinischer Versorgung war die Sterblichkeit unter den Arbeitern hoch, Malaria grassierte, schon 1930 lagen 300 Menschen begraben auf dem Friedhof. Zudem wuchs der Unmut unter den Arbeitern, die sich nicht in die streng durchorganisierten Arbeitsabläufe einfügen wollten und die Löhne in Bordellen und Bars ausgaben. Immer wieder mussten bewaffnete Söldnertruppen eingreifen, um die Lage zu beruhigen.
Bei der Entwicklung der Plantagen gab es ähnliche Schwierigkeiten wie bei dem Aufbau der Ford'schen Gesellschaft. Rodung des Regenwaldes in der Regenzeit, Zerstörung des eigentlich fruchtbaren Bodens durch Brandrodung, sowie Fehler im Anbau der Kautschukbäume und dadurch hervorgerufener Schädlingsbefall warfen die erhoffte Entwicklung immer wieder zurück. Doch so schnell gab sich der damals reichste Mann der Welt nicht geschlagen: er tauschte das korrupte und unfähige Management, feuerte fast alle Arbeiter, ließ Bars und Bordelle abreißen. Parallel dazu wurden tausende neue Arbeiter rekrutiert, zeitweise lebten in Fordlândia mehr als 8.000 Menschen. Straßen wurden geteert, Schulen, Friseure, Bäckereien und Fleischereien eröffnet. Es gab sogar eine Golfanlage und regelmäßige Gartenwettbewerbe. Und weil der Autokönig aus Detroit klassische Musik liebte, wurde auf Betriebsfesten auch im Dschungel Walzer statt Samba gespielt.
Doch die eigentliche Schlacht - gegen die Natur - verloren die amerikanischen Ingenieure. Weil sie die Kautschukbäume, die urwüchsig weit voneinander entfernt stehen, dicht an dicht pflanzten, schufen sie einen idealen Brutkasten für Schädlinge wie Pilze, Käfer und Raupen. Millionen von Bäumen gingen ein. Latex wurde in Fordlândia deshalb nie gewonnen, obwohl 1941 über 3,6 Millionen Kautschukbäume auf den Plantagen standen.
Als sich der inzwischen 82-jährige Henry Ford 1945 aus dem Unternehmen zurückzog, verkaufte sein Sohn Henry Ford II als eine seiner ersten Amtshandlungen alle Besitzungen am Amazonas. Auf den heutigen Wert umgerechnet hatte sein Vater eine Milliarde Dollar investiert. Heute ist der gigantische Wasserturm - das damals größte von Menschenhand geschaffene Gebäude im Amazonas - das weithin sichtbarste Symbol der gescheiterten Utopie. Die Überreste der amerikanischen Kleinstadt sind noch zu sehen, aber verschmelzen immer mehr mit der Natur. Unweit von Fordlândia leben einige der Nachfahren der ehemaligen Arbeiter in der Gewissheit, dass der Mensch die Natur nicht beherrschen kann und erzählen von einem reichen Mann, der Natur und Mensch nach seinem Vorbild gestalten wollte und kläglich damit gescheitert ist.
Produktion: Christian Beetz; Regie: Christiane von Schwind; Musik: Tim Stanzel, Moritz Denis, Eike Hosenfeld; Kamera: Florian Pfeiffer; Montage: Johannes Nakajima; Drehbuch: Christiane von Schwind Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit).
Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt.
Der Fachbegriff ist hierfür "Creative Destruction" oder zu deutsch "Schöpferische Zerstörung" und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann.
Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer "Creative Destruction" von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen.
MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
Es ist ein Ort der Superlative. Hundert Jahre lang wurde auf der Zeche Lohberg Kohle gefördert. Über 1200 m tief gingen hier die Schächte, Ende der 50er Jahre fuhren über 5000 Männer ein. 2005 wurde die Zeche Lohberg endgültig stillgelegt, die letzten 1400 Kumpel auf andere Bergwerke verteilt oder in den Ruhestand geschickt. Und jetzt? Ein riesiges Areal wartet auf seine neue Bestimmung, ein 70 m hoher Förderturm ragt über eine eigene Stadt aus alten Hallen und Maschinenparks, die nun keine Verwendung mehr haben: Ein gespenstischer Ort mit beängstigenden Dimensionen.
Die Natur kehrt zurück und überwuchert die Fläche, große Teile des Areals werden abgerissen und sind für Neubauten vorgesehen. Andere finden neue Verwendung. Zum Beispiel ein Kiosk an der Außenmauer, über den hier jeder eine Geschichte kennt. Vor oder nach der Schicht wurde hier schnell noch was gekauft, manches Mal wurde heimlich ein Korb über die Zechenmauer abgeseilt, um doch an das bei der Maloche verbotene Bier zu kommen. Heute betreibt Britta LQL den kleinen Kiosk als Kunstgalerie. Wer vorbeikommt, den erwarten Wechselausstellungen verschiedener Künstler. Der alte Zigarettenautomat wird regelmäßig aufgefüllt, wer ein paar Euro hineinwirft erhält eine kleine Skulptur, ein Miniaturgemälde oder ein anderes Unikat, das extra für diesen Automaten hergestellt wurde. Andere Künstler haben in Teilen des ehemaligen Verwaltungsgebäudes Atelierräume gefunden, Kreativquartier heißt das jetzt hier.
Auch der Bergmannschor Concordia hat die Stilllegung der Zeche überlebt und weiterhin kommen an die 50 Männer zusammen und proben jede Woche. Bei ihren Auftritten tragen sie stolz ihre Bergmannsuniform. Jeder Sänger hat unter Tage geschuftet, das Bergwerk ist Heimat und Lebensmittelpunkt wie bei den Meisten in diesem Stadtteil.
Jetzt beginnt die Neuorientierung. Aber der denkmalgeschützte Förderturm ist im Unterhalt zu teuer, als dass die ehemaligen Besitzer ihn behalten wollen oder die öffentliche Hand die Wartung übernehmen könnte. Es steht schlecht um das Wahrzeichen Lohbergs. Ein Förderverein versucht ihn zu retten, doch die Finanzierung ist ungewiss.
Kommen werden viele Neubauten und auch der Versuch, die Menschen in diesem Stadtteil mitzunehmen bei der Umgestaltung. Nicht Inseln mit Prestigeprojekte, sondern kleine Gewerbeansiedlungen und Wohnraum soll hier entstehen. Lohberg will seine Einwohner nicht vertreiben, sondern vor allem neue dazu gewinnen. In Büros und kleinen Betrieben sollen Arbeitsplätze entstehen.
Aber das Bergwerk hinterlässt nicht nur überirdisch seine Spuren. Unter den alten Ruinen liegt ein Gewirr aus Tunneln und Schächten: Jetzt laufen sie nach und nach mit Wasser voll und werden mit Pumpen reguliert, damit die neuen Gebäude durch das Absinken und Anheben des Erdreichs nicht beschädigt werden, wie es so vielen der alten Bauten widerfuhr.
Lohberg hat zwei Weltkriege, wechselnde Besitzer und immer neue Zuwanderer erlebt, die hier ihr Glück suchten. Jetzt ist es für immer stillgelegt und auf der Suche nach einer vollkommen neuen Verwendung. Kleine Initiativen und Projekte begleiten die Umwandlung, doch Geldmangel wird viele nicht lange überleben lassen. Der Kunstkiosk von Britta LQL hat es fürs erste geschafft. Mit etwas Unterstützung von der Stadt wird sie ihn auch im nächsten Jahr betreiben können.
Musik: Eike Hosenfeld, Moritz Denis, Tim Stanzel; Drehbuch: Kai Christiansen; Montage: Martin Schomers; Regie: Kai Christiansen; Produktion: Christian Beetz; Kamera: Torben Müller Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit).
Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt.
Der Fachbegriff ist hierfür "Creative Destruction" oder zu deutsch "Schöpferische Zerstörung" und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann.
Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer "Creative Destruction" von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen.
MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
Detroit wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zum Zentrum der amerikanischen Automobilproduktion. Die "Großen Drei" - Chrysler, Ford, General Motors - schufen die Autostadt schlechthin, das Wirtschaftswachstum zog Millionen von Menschen an, die sich in Detroit das kleinbürgerliche Ideal des amerikanischen Traumes erfüllten. Detroit war modern, urban und schnell. Hier gab das erste Fließband, die erste Straße mit Betonbelag, die erste Stadtautobahn (den "Davison Freeway"). Warenhäuser und Kinopaläste säumten die Straßen. Später wurde die Boomtown mit dem ersten Shopping Center zum Vorreiter der Stadtrand-Wanderung - ein Städtebaumodell, das sich später in den USA und der westlichen Welt durchsetzte. Als Folge der Ölkrise von 1973 sowie aufgrund zunehmender ausländischer Konkurrenz in der Automobilindustrie schlossen die "Großen Drei" ihre alten Werke zugunsten neuerer Anlagen, die oft in Billiglohnländern errichtet wurden und läuteten damit den Niedergang der Metropole ein.
Heute liegt ein Drittel der gesamten Stadtfläche brach, zahllose Gebäude wurden abgerissen. Insgesamt stehen über 4.000 Bauten leer: verlassen, verschlossen, verbrettert, vermauert. In manchen Straßen gleicht Detroit einer Geisterstadt. Straßenschilder rosten. Auf Bürgersteigen wächst Gras. Wilde Hunde streunen. Wer Detroit besucht, muss sich auf dystopische Szenerien gefasst machen. Viele Wohnhäuser sind stellenweise komplett mit Efeu bewachsen, Bäume und Sträucher wachsen aus den Dächern und Fenstern. Die Wirtschafts- und Immobilienkrise ab 2008 verschärft die Lage.
Mama Pay Check, eine gebürtige Polin, betreibt eine Bar, in der der Schriftsteller Steve Hughes gerne ein Bier trinkt, aber auch Geschichten findet und aufschreibt. Es sind Geschichten der arbeitslosen kleinen Leute, die versuchen über die Runden zu kommen. 80% der Bevölkerung Detroits sind Schwarze. In den 40er und 50er Jahren kamen sie nach Detroit, weil hier die Rassendiskriminierung weniger ausgeprägt war als im Rest der USA. Familie Armour ist da keine Ausnahme. Der Großvater hat 40 Jahre lang bei General Motors gearbeitet. Die Großmutter hat die Familie zusammengehalten. Menschen wie sie haben die goldene Ära Detroits erlebt und mitgeprägt und sie tragen die Musik von Motown in sich. Ihre Kinder haben die großen Entlassungswellen erlebt, sie waren davon stärker betroffen, als die Weißen. Auch die Crackwelle der 80er Jahre hat die meisten schwarzen Familien aus der Bahn geworfen. Die Enkel sind die menschlichen Ruinen, die genauso zurückgelassen wurden wie die Gebäude. Davon Armour ist 23 und hat als Jugendlicher im Bandenkampf einen Menschen erschossen.
Der afro-amerikanische Künstler Olayami Dabls beschäftigt sich in seinen monumentalen Skulpturen mit seinen afrikanischen Wurzeln. Er hofft, daß jeder seinen Platz im Detroit der Zukunft finden kann. Der mittlerweile zu beachtlicher Berühmtheit gelangte Konzeptkünstler Scott Hocking errichtet in den verlassenen Fabriken spektakuläre Skulpturen. Die Entstehung einer seiner Arbeiten begleitet der Film: ein großes Ei aus schweren Marmorplatten entsteht im verlassenen Hauptbahnhof. Scott Hocking sieht in den Ruinen nicht vordergründig den Verfall, sondern die Schönheit. Es macht keinen Unterschied, ob ein Kunstwerk 4000 Jahre alt ist oder fünf - Hauptsache die Ruine zieht die Menschen in ihren Bann.
Von der Faszination der Ruinen für die Detroiter und der Aufbruchsstimmung der Bewohner in einer dem Verfall preisgegebenen Stadt erzählt dieser Film.
Musik: Tim Stanzel, Moritz Denis, Eike Hosenfeld; Regie: Alice Agneskirchner; Drehbuch: Alice Agneskirchner; Montage: Julia Wiedwald; Kamera: Sven Kiesche; Produktion: Christian Beetz Standort: Filmfriend Streamingdienst
Inhalt: Historisches Drama über das Schicksal einer deutsch-iranischen Familie, die Ende der 1970er -Jahre die Folgen der "Islamischen Revolution" zu spüren bekommt: Beate (Katrin Röver) ist Chemikerin und lebt mit ihrem Mann Omid (Reza Brojerdi) und der gemeinsamen Tochter Sarah (Luzie Nadjafi) in der DDR. In Omids Heimatland, dem Iran, tobt die "Islamische Revolution", ihr Anführer - Ruholla Chomeini - verspricht dem Volk bessere Lebensverhältnisse und Wohlstand. Als Chomeinis Machtergreifung durch die Nachrichten geht, verfällt Omid in Jubel und teilt seiner Frau mit, er könne nun endlich in seine Heimat zurückkehren. Sie möchte ihr Versprechen halten und ringt sich zu einem Neustart ihrer Familie im Iran durch. Dort angekommen, verfliegt die anfängliche Aufbruchstimmung schnell, denn in der alten/neuen Heimat muss die Familie lernen, mit der alltäglichen Willkür, Gewalt und neuen religiösen Doktrinen zurechtzukommen. Wie kommen Beate, Omid und die kleine Sarah mit dem neuen Leben zurecht? Werden sie sich fügen oder gehen sie zurück in die DDR?
Nach mehreren Kurzfilmen gibt Autor und Regisseur Houssein Pourseifi mit "Morgen sind wir frei" sein Spielfilmdebüt. Sein historisches Drama basiert auf einer wahren Geschichte und zeigt die verheerenden Folgen der "Islamischen Revolution"; die Gewalt, den Terror und die Folter - nicht nur gegen Oppositionelle, sondern inbesondere auch gegen Frauen, die sich den neuen religiösen Reglementierungen widersetzten. Auch heute noch sind Menschenrechtsverletzungen und eine radikale Einstellung gegenüber Andersdenkenden im Iran prägend, auch durch das landeseigene Atomprogramm macht das sogenannte "Mullah-Regime" immer wieder Schlagzeilen. Pourseifis Film zeichnet sich durch eine besondere Authentizität aus, die nicht nur aus dem überzeugenden Schauspiel der beiden Hauptdarsteller Reza Brojerdi ("Tatort", "Saat des Terrors") und Katrin Röver ("SOKO Leipzig") resultiert, sondern auch dadurch erzeugt wird, dass Pourseifi Original-Aufnahmen der Revolution, zum Beispiel als Fernsehbericht, in seinen Film einbindet.
Regie: Hossein Pourseifi; Musik: Ali N. Askin; Schauspieler: Zahra Amir Ebrahimi, Michael Hanemann, Katrin Röver, Brigitte Böttrich, Reza Brojerdi; Drehbuch: Hossein Pourseifi; Montage: Katharina Schmidt; Kamera: Patrick Orth Standort: Filmfriend Streamingdienst
Programm Findus Internet-OPAC findus.pl V20.240/8 auf Server windhund2.findus-internet-opac.de,
letztes Datenbankupdate: 25.06.2024, 18:27 Uhr. 2.570 Zugriffe im Juni 2024. Insgesamt 255.109 Zugriffe seit September 2013
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